Wenn der Igel fliegt: Vanessa Maurischat und Annie Heger
lassen auf ihrer Live-CD den Flachs blühen
lassen auf ihrer Live-CD den Flachs blühen
Es ist schwierig, eine kompetente Aussage zu erhalten, wenn man, sagen wir mal, den Käsefritzen aus der Markthalle nach seinem Lieblingsnahrungsmittel fragt. Oder wenn man von Martin Kind wissen will, wie sein bevorzugter Sportverein heißt. In diesem, meinem Fall ist es noch schwieriger. Ich bin ein Fan der ersten Stunde. Von Vanessa Maurischat. Auch ihre Partnerin, ihr Alter Ego Annie Heger, reißt mich regelmäßig zu Begeisterungsstürmen hin. Natürlich sind die beiden multitalentierten Kabarettistinnen nicht perfekt. Sie sind zu schön, zu nett, zu schlau, zu humorvoll ...
Trotz meiner Voreingenommenheit betrachte ich die Aufgabe, mich zu dieser ihrer ersten gemeinsamen CD zu äußern, als Ehre. Und als Herausforderung. Tun wir einfach so, als kenne ich die Beiden nicht ... welche war noch mal die mit den kurzen Haaren?
Trotz meiner Voreingenommenheit betrachte ich die Aufgabe, mich zu dieser ihrer ersten gemeinsamen CD zu äußern, als Ehre. Und als Herausforderung. Tun wir einfach so, als kenne ich die Beiden nicht ... welche war noch mal die mit den kurzen Haaren?
Sie darf in keinem Hotel der Arcor-Gruppe mehr übernachten, weil sie die Minibar immer mit Wasser auffüllt. Annie Heger, Entertainerin, Sängerin, Moderatorin - hätte man ihr derartige Strafhandlungen zugetraut? Fluchen kann sie wie eine Große - ihre Partnerin in crime, Vanessa Maurischat, ist Einsatzgeberin mit "heute Abend wollen wir hommagieren", Heger vollendet mit "Fromage am Arsch" - gleich bei der ersten Moderation wird deutlich, um was es geht an diesem Abend in einer für die Künstlerinnen vertrauten Umgebung am 9. März in der Oldenburger Kulturetage: Zwei Zicken lassen ihre Gäste bei der Live-Aufzeichnung ihres Auftritts teilhaben an den kleinen und größeren täglichen Katastrophen des Lebens. Darauf einen Ramazotti. Oder zwei. "Heißt es Ramazotten?" fragt sich Heger und holt sich dafür die obligatorischen Kicherer aus dem Publikum ab. Bislang sind es wohl eher Ramazoten. Kommt da noch mehr? Oh ja, und zwar viel mehr.
Es ist alles eine Frage der Definition: Ist man der Topf oder der Deckel, ist man Einzelkind oder Alleinerbin. In ihren Moderationen unterhalten sich die beiden Damen über Gott und die Welt, häufig über Ostfriesland (weil Heger, wie ihr Publikum sehr genau weiß, aus diesem Teil des Landes stammt). Sie geben sich gegenseitig Vorlagen, zählen sich an, denken laut und schwadronieren fröhlich vor sich hin. "Man muss kein Schnitzel sein, um zu wissen, wie es sich anfühlt, in die Pfanne gehauen zu werden."
Sie spielen ihr Programm "Eine geht noch" seit Jahren, bundesweit, in kleinen oder größeren Clubs. Und den federleichten Moderationen, mit denen sie die Lücken zwischen den Liedern füllen, merkt man die Arbeit im Vorfeld nicht mehr an. Sie wirken wie eine einzige homogene Person - als Duo muss man sich zu hundert Prozent auf den Partner verlassen können, damit die Einsätze klappen, damit die Pointen zünden, damit der rote Faden funktioniert. Der Faden heißt hier womöglich: Wir erzählen Geschichten, bei denen ihr lachen könnt, und wir singen Lieder, bei denen ihr gefälligst nachdenklich werdet. Das klappt; die Songs in ihrem Programm sind das genaue Gegenteil ihrer Zwischentexte: Lyrisch, melancholisch, bitterböse, überraschend. Beiden Elementen der Show (und der CD) gleichermaßen inne: Die Umsetzung genauer Beobachtung. Ein Erlebnis kann zu einer ulkigen Moderation werden (Schatz, ich möcht' 'nen Hund) oder zu einem poetischen Chanson (Traurig kommt über Nacht).
Sie spielen ihr Programm "Eine geht noch" seit Jahren, bundesweit, in kleinen oder größeren Clubs. Und den federleichten Moderationen, mit denen sie die Lücken zwischen den Liedern füllen, merkt man die Arbeit im Vorfeld nicht mehr an. Sie wirken wie eine einzige homogene Person - als Duo muss man sich zu hundert Prozent auf den Partner verlassen können, damit die Einsätze klappen, damit die Pointen zünden, damit der rote Faden funktioniert. Der Faden heißt hier womöglich: Wir erzählen Geschichten, bei denen ihr lachen könnt, und wir singen Lieder, bei denen ihr gefälligst nachdenklich werdet. Das klappt; die Songs in ihrem Programm sind das genaue Gegenteil ihrer Zwischentexte: Lyrisch, melancholisch, bitterböse, überraschend. Beiden Elementen der Show (und der CD) gleichermaßen inne: Die Umsetzung genauer Beobachtung. Ein Erlebnis kann zu einer ulkigen Moderation werden (Schatz, ich möcht' 'nen Hund) oder zu einem poetischen Chanson (Traurig kommt über Nacht).
Perfekter Satzgesang zweier klarer Stimmen. Hegers Organ hat Pop-Potenzial; sie setzt ihr Vibrato mit Bedacht ein und hat zu jeder Zeit die totale stimmliche Kontrolle; Maurischats warmer Alt und ihre Phrasierungen ergänzen ihre Kollegin, das Ganze fügt sich in den Duetten häufig zu einer wunderschön anzuhörenden Einheit. Und genauso klar wie die Stimmen ist die Tatsache, dass sich die beiden Diven gern mal gehörig selbst auf die Schippe nehmen. "Bitte Bitte" ist eine Herzschmerzballade vom Feinsten. Es geht um die Liebe. Und darum, wie man sich am Besten seines Partners entledigt. Sie reimen "Strick" auf "Osnabrück". Letzter Satz: "Hauptsache, es reimt sich auf 'Arschloch'". Yeah.
"Bitte bitte, nimm dir einen Strick
in München oder in Osnabrück
du hast die Qual der Wahl
Hanf oder Nylon
aus Japan oder Ceylon"
in München oder in Osnabrück
du hast die Qual der Wahl
Hanf oder Nylon
aus Japan oder Ceylon"
Zehn wunderbar lyrische Lieder sind zu hören, und sie zeigen, dass sie gut zugehört haben bei den Kollegen. Auch wenn sie die liebevoll parodieren. In Cocker/Warnes "Up Where We Belong" wird der Eagle zum Igel, und das geneigte Publikum darf bei "You're My Heart, You're My Soul" der Bohlen/Anders-Reunion beiwohnen - die beiden Spaßmacherinnen lassen nichts aus. Manches ist tief unter der Gürtellinie, wie Hegers Farmer aus Ipanema, den Maurischat als Pharmaunternehmer aus Bottrop entlarvt. Aber manches hat soviel Tiefgang, dass man sich wundert, dass sie nicht durch den Oldenburger Bühnenboden gekracht sind. "Mit ein bisschen Glück kriegt es doch noch einen Sinn, warum ich gegangen bin." Das Publikum klatscht im Takt - warum eigentlich? Die Dampfhammerkalauer sind nett anzuhören; für die leisen, melancholischen Zwischentöne muss man sie lieben.
Fazit: Ungewöhnliches Konzeptalbum zweier ungewöhnlicher Diseusen. Heger und Maurischat haben die intime Live-Atmosphäre der Kulturetage gut eingefangen. Dabei gerät es fast zur Nebensache, dass auch Maurischats Klavierspiel ungewöhnlich gut ist - Billy Joel lässt grüßen - und dass Hegers Flötenspiel sich sehen lassen kann. In Oldenburg hat jedenfalls nicht nur ihre Ukulele gestimmt.
Fazit: Ungewöhnliches Konzeptalbum zweier ungewöhnlicher Diseusen. Heger und Maurischat haben die intime Live-Atmosphäre der Kulturetage gut eingefangen. Dabei gerät es fast zur Nebensache, dass auch Maurischats Klavierspiel ungewöhnlich gut ist - Billy Joel lässt grüßen - und dass Hegers Flötenspiel sich sehen lassen kann. In Oldenburg hat jedenfalls nicht nur ihre Ukulele gestimmt.
Heger und Maurischat: Eine geht noch - live
Erschienen bei Kosmopolit records (Brokensilence). Erhältlich im Plattenladen Ihres Vertrauens
Unbedingt hingehen. Live sind sie genauso gut wie die CD. Nur sichtbarer.
Termine:
8. August Meerdorf
26. August Bremerhaven
14. September Emsdetten
13. Oktober Bochum (bei Gerburg Jahnkes Ladies night)
9. November Herne
Erschienen bei Kosmopolit records (Brokensilence). Erhältlich im Plattenladen Ihres Vertrauens
Unbedingt hingehen. Live sind sie genauso gut wie die CD. Nur sichtbarer.
Termine:
8. August Meerdorf
26. August Bremerhaven
14. September Emsdetten
13. Oktober Bochum (bei Gerburg Jahnkes Ladies night)
9. November Herne