Hat Bock im TAK: Liese-Lotte Lübke
Sie sei ja überhaupt nicht politisch, sagt Liese-Lotte Lübke, als sie zu ihrem Auftritt auf die Bühne gewirbelt kommt; von hinten, aus der Künstlergarderobe, an ihren Gästen vorbei. Ein Buch über Politik habe sie gelesen, das habe ihr gereicht. "Nix für mich", erklärt Lübke im Brustton der Überzeugung. Und wo sie schon mal dabei ist, gibt's gleich noch eine Entschuldigung. Sie habe "Hardcore-Kreislauf" bekennt die 28-jährige Kabarettistin, und man solle sich nicht wundern, wenn sie auf der Bühne zusammenbräche. Sofort meldet sich die unvermeidliche Krankenschwester unter den schmunzelnden Gästen - für Rettung ist also gesorgt. Gut so, denn der Verlust von Lübke wäre - nun ja, ein Verlust.
"Ich hab Bock", singt sie und richtet den Text ihres ersten Liedes an das üblicherweise ältere Kabarettpublikum. Sie hoffe, dass niemand bis zum Ende des Programms versterbe. Viele der rund 50 heute durchaus jüngeren Gäste grinsen wissend. Tatsächlich erfüllt sich der Wunsch der Künstlerin; bis zur Pause traut sich darüber hinaus auch niemand mehr, auf die Toilette zu gehen, vielleicht aus Angst, so zur Zielscheibe des Lübkeschen Spottes zu werden.
Lübke spielt seit einigen Jahren deutschlandweit ihr Programm "Kopf in den Sand." Sie ist keine Kabarettistin im eigentlichen Sinne, eher eine sehr genaue Beobachterin der Welt um sie herum, und sie scheut sich nicht, auch recht private Erlebnisse in ihr Programm einzubauen. Details sind ihr wichtig. Wenn sie über die Erfahrung auf dem Arbeitsamt singt, bringt sie nicht nur die Gedanken der Antragsteller auf den Punkt, in ihr Lied passt auch noch die flackernde Neonröhre auf dem Flur des JobCenters.
Lübke sitzt am Flügel, spielt konzentriert, muss manche Töne erst suchen, aber sie will ja auch nicht als Pianistin glänzen, sondern als Geschichtenerzählerin. Einige der Pointen, die sie wie nebenbei setzt, sind kurz (der mittelalte Porschefahrer möge bitte den Stock aus dem Arsch ziehen, befindet sie, während sie mit klarer Stimme "Spießer" singt), wieder andere entwickeln sich erst nach längerer Vorbereitung.
Lübke spielt seit einigen Jahren deutschlandweit ihr Programm "Kopf in den Sand." Sie ist keine Kabarettistin im eigentlichen Sinne, eher eine sehr genaue Beobachterin der Welt um sie herum, und sie scheut sich nicht, auch recht private Erlebnisse in ihr Programm einzubauen. Details sind ihr wichtig. Wenn sie über die Erfahrung auf dem Arbeitsamt singt, bringt sie nicht nur die Gedanken der Antragsteller auf den Punkt, in ihr Lied passt auch noch die flackernde Neonröhre auf dem Flur des JobCenters.
Lübke sitzt am Flügel, spielt konzentriert, muss manche Töne erst suchen, aber sie will ja auch nicht als Pianistin glänzen, sondern als Geschichtenerzählerin. Einige der Pointen, die sie wie nebenbei setzt, sind kurz (der mittelalte Porschefahrer möge bitte den Stock aus dem Arsch ziehen, befindet sie, während sie mit klarer Stimme "Spießer" singt), wieder andere entwickeln sich erst nach längerer Vorbereitung.
Lübke gibt viel Input; in jedem Lied hat sie haufenweise erstaunlich zutreffender Lebensweisheiten parat - die Menge an Gedankenspielen, die sie in jedes einzelne Stück packt, lässt manches jedoch leider einfach untergehen. Wenn man über diese Textzeile, jenen Satz gern noch ein wenig nachgedacht hätte, malt Lübke schon das nächste, wieder überzeugende Bild.
Ihre Zuhörer sind dicht dran, was sicher nicht nur der Tatsache geschuldet ist, dass ihre Familie und Freunde unter den Gästen sind. Sie sei, sagt sie, nach mehreren abgebrochenen Praktika nunmehr als Hundefriseurin tätig, und sofort entspinnt sich ein interaktiver Dialog über Hunderassen und deren Frisuren.
Oft wirken ihre Formulierungen wie aus der Zeit gefallen, wie die Adaption großer Künstler der vergangenen Dekaden. Wenn sie ihre sehr genauen Reime in den Zuschauerraum singt, erinnert man sich an Wader, an Wecker, an Mey. Korrekte Grammatik, bösartige Texte - so tobt sie munter über ihre rhetorische Spielwiese.
Wütend kann sie auch. Sie versucht, beim Lied "Schreien" ihre Gäste dazu zu bringen, eben dieses zu tun. Lübke sagt: "Los", und das Publikum sagt: "Los". Ans Schreien ist man im TAK offenbar nicht gewöhnt.
"Was würdet ihr tun, wenn ihr könntet, wie ihr wolltet?" Die Antwort auf diese Frage lässt sie vor der Pause auf Zettel schreiben, die sie danach vorliest. Auch damit bringt sie ihre Zuhörer, wie so oft, zum Nachdenken. Und einige haben, im Gegensatz zu ihr, durchaus auch politische Forderungen, etwa das bedingungslose Grundeinkommen. "Und viel mehr Sex", steht auf einem anderen Zettel. Einige, nicht alle.
Ihre Zuhörer sind dicht dran, was sicher nicht nur der Tatsache geschuldet ist, dass ihre Familie und Freunde unter den Gästen sind. Sie sei, sagt sie, nach mehreren abgebrochenen Praktika nunmehr als Hundefriseurin tätig, und sofort entspinnt sich ein interaktiver Dialog über Hunderassen und deren Frisuren.
Oft wirken ihre Formulierungen wie aus der Zeit gefallen, wie die Adaption großer Künstler der vergangenen Dekaden. Wenn sie ihre sehr genauen Reime in den Zuschauerraum singt, erinnert man sich an Wader, an Wecker, an Mey. Korrekte Grammatik, bösartige Texte - so tobt sie munter über ihre rhetorische Spielwiese.
Wütend kann sie auch. Sie versucht, beim Lied "Schreien" ihre Gäste dazu zu bringen, eben dieses zu tun. Lübke sagt: "Los", und das Publikum sagt: "Los". Ans Schreien ist man im TAK offenbar nicht gewöhnt.
"Was würdet ihr tun, wenn ihr könntet, wie ihr wolltet?" Die Antwort auf diese Frage lässt sie vor der Pause auf Zettel schreiben, die sie danach vorliest. Auch damit bringt sie ihre Zuhörer, wie so oft, zum Nachdenken. Und einige haben, im Gegensatz zu ihr, durchaus auch politische Forderungen, etwa das bedingungslose Grundeinkommen. "Und viel mehr Sex", steht auf einem anderen Zettel. Einige, nicht alle.
Ein Alleinstellungsmerkmal hat sie auch: Ihre Lieder enden häufig mit dem parallelen Moll-Akkord der Tonart. Das sorgt manchmal für so etwas wie einen Cliffhanger - man braucht eine Weile, um zu erkennen, dass die Botschaft schon vorbei ist.
Ein tolles Gedicht ist "Nur aus Höflichkeit". Lübke hält dem im TAK anwesenden Teil der Gesellschaft den entlarvenden Spiegel vor - am Ende dauert es ungewöhnlich lange, bis der Applaus einsetzt, stärker wird. Und das ganz sicher nicht nur aus Höflichkeit. "Arschloch" singt sie in bester Singer/Songwriter-Tradition. Einen ähnlichen Text hat einst Phil Collins gemacht, "Another day in paradise"; auch Ralph McTell nahm sich der Einsamkeit der alten Leute an. Aber die Frau in Lübkes Text wird angespuckt und torkelt volltrunken durch die Stadt - "Streets of London 2.0"
Kennt sie Ringelnatz, Kästner und von Bülow? Wer weiß, aber sie ist nicht weit entfernt von ihnen, denn sie kann ihn, diesen Mix aus lustig und nachdenklich. Manches Mal ist sie ganz, ganz alt, was ihre Erkenntnisse über das Leben angeht, aber vor allem ist sie eine junge, reflektierte Frau, die sich scharfsinnige Gedanken über das Leben, das Universum und den ganzen Rest macht. Und über Laubsauger.
Ihr ehemaliger Kunstlehrer sitzt mit seiner Freundin im Publikum. Liese-Lotte Lübke war auf der Waldorfschule. Heute Abend tanzt sie nicht ihren Namen. Sie tanzt ihre Seele.
Ein tolles Gedicht ist "Nur aus Höflichkeit". Lübke hält dem im TAK anwesenden Teil der Gesellschaft den entlarvenden Spiegel vor - am Ende dauert es ungewöhnlich lange, bis der Applaus einsetzt, stärker wird. Und das ganz sicher nicht nur aus Höflichkeit. "Arschloch" singt sie in bester Singer/Songwriter-Tradition. Einen ähnlichen Text hat einst Phil Collins gemacht, "Another day in paradise"; auch Ralph McTell nahm sich der Einsamkeit der alten Leute an. Aber die Frau in Lübkes Text wird angespuckt und torkelt volltrunken durch die Stadt - "Streets of London 2.0"
Kennt sie Ringelnatz, Kästner und von Bülow? Wer weiß, aber sie ist nicht weit entfernt von ihnen, denn sie kann ihn, diesen Mix aus lustig und nachdenklich. Manches Mal ist sie ganz, ganz alt, was ihre Erkenntnisse über das Leben angeht, aber vor allem ist sie eine junge, reflektierte Frau, die sich scharfsinnige Gedanken über das Leben, das Universum und den ganzen Rest macht. Und über Laubsauger.
Ihr ehemaliger Kunstlehrer sitzt mit seiner Freundin im Publikum. Liese-Lotte Lübke war auf der Waldorfschule. Heute Abend tanzt sie nicht ihren Namen. Sie tanzt ihre Seele.