Schwül: Carmina Burana, drei Chöre und ein begeistertes Publikum
Wolllust, Verlangen, Völlerei, Glücksspiel. Der Isernhagenhof wird am Samstag zur schwülstigen Taverne, als drei Chöre gemeinsam mit einigen Gastsolisten Carl Orffs "Carmina Burana" geben. Dem Stück, von dem der Komponist einst selber sagte, es sei "weder Oper noch Oratorium", mutet oft der Charakter einer gewaltigen Inszenierung an. Die Erarbeitung des Werkes mit Laienchören, unterstützt von nur einigen wenigen Profimusikern, hätte also durchaus schiefgehen können. Doch Anne Drechsel als Leiterin aller drei Chöre und ihre Sänger haben in Isernhagen alles richtig gemacht.
Carmina Burana, entstanden im 12. Jahrhundert, ist ein Konglomerat aus Trink-, Bänkel- und Liebesliedern. Das Werk birgt trotz der einfachen Melodien von Carl Orff, dessen Interpretation von 1937 als die bekannteste gilt, einige Hürden, die gemeistert werden wollen. Zu Anfang erklingt das wohl berühmteste Lied aus der Sammlung: Das gewaltige "O Fortuna" wird vom Publikum wie ein alter Freund begrüßt. Bei den "Tutti"-Stellen trägt es den gemischten Chor mit ausschließlich Laiensängern weit hinaus - je lauter, desto exakter. Die rund dreißig Damen und Herren wirken oft wie eine Einheit, ein Organismus. Die vielen Tempo- und Ausdruckswechsel machen das Werk zu einem höchst anspruchsvollen Ensemblestück. Dass Anne Drechsel, die künstlerische Leiterin, sich gern der großen Werke der Musikgeschichte annimmt, wissen viele der Besucher im Isernhagenhof spätestens seit ihrer Version von Mozarts "Zauberflöte". Im vergangenen Jahr standen "Les Misérables" - "Die Elenden" nach Victor Hugo - auf dem Programm, eines der meist aufgeführten Stücke überhaupt. Damals holperte es teilweise sehr, auch wenn die ambitionierten Sänger über sich hinaus wuchsen. Heute, ein Jahr später, hat sich der Chor "Femmes Vocales" hörbar weiterentwickelt - und kann sich gesanglich durchaus an großen Vorbildern messen lassen. Nur bei den zarteren Passagen, den leisen Nuancen in den Liebesliedern des Zyklus, balancieren einige wenige Stimmen immer noch erfolgreich um die richtige Tonart herum.
Pianistin Dilana Michailov - sie hat auch bei den Elenden brilliert - unterstützt die Sänger energisch am Flügel. Mit hochkonzentrierter Mimik verschmilzt sie mit der Musik, ihre Einsätze sind perfekt, ihr Ausdruck ist jeder Situation angemessen. Ihr kongenialer, hinlänglich bekannter Partner am Keyboard ist Markus Matschkowski. Dem Hannoveraner fällt die Aufgabe zu, die Streicher und Bläser zu ersetzen. Dank ausgefeilter Technik gelingt es ihm, die für großes Orchester angelegten triumphalen Zwischenteile, nun, triumphal klingen zu lassen. Auch die Schlagzeuger Marco Schörshausen und Henning Ahlrichs sorgen mit homogen-brachialen Pauken- und Beckeneinsätzen für Jubelstürme beim durchweg hingerissenen Publikum. Es gibt eine Erzählerin: Elfie Prinz im bunten Harlekinkostüm bietet ihre erklärenden Zwischenreime in strenger Trochäus-Form an. Die teils lyrischen, teils derben Texte stammen von ihr, sie wird im Verlaufe des Stückes immer besser und immer eindringlicher. Wenn Prinz sagt, der Jüngling wünschte, "ihr Schloss der Jungfernschaft zu sprengen", würde der Applaus kichern, wenn er könnte. Sie bringt die manchmal konfuse, pikante Handlung den Zuhörern näher, es wird klar, dass sie sich eingehend mit der Vorlage befasst hat.
Auch die beiden anderen Chöre von Drechsel, die "Spatzen" und die "Young Vocals" haben ihren Moment des Ruhms. Sie dürfen im dritten Teil "Cour d'amours" vorn auf der Bühne stehen und singen ihren Part hingebungsvoll und verschwitzt, denn inzwischen ist es warm geworden, sehr warm in der ehemaligen Scheune. Eine der Sängerinnen erleidet kurz vor dem Ende einen kleinen Schwächeanfall. Auch der wird tapfer weg gesungen, Gottlob ist nichts Schlimmeres passiert.
Dann lässt sogar George Gershwin grüssen: "Blanzifer et Helena" lässt erahnen, wie vielseitig Orff als Komponist ist. Und nach einem geflüsterten, stampfenden, zweiten "O Fortuna" entschwindet ein frohes, begänsehautetes Publikum in den lauen Frühlingsabend - nicht, ohne die Künstler zuvor mit stehendem Jubel, Füßetrampeln und Bravorufen versorgt zu haben. Damals, bei den Elenden, war noch Luft nach oben. Heute wird sie knapp.
Auch die beiden anderen Chöre von Drechsel, die "Spatzen" und die "Young Vocals" haben ihren Moment des Ruhms. Sie dürfen im dritten Teil "Cour d'amours" vorn auf der Bühne stehen und singen ihren Part hingebungsvoll und verschwitzt, denn inzwischen ist es warm geworden, sehr warm in der ehemaligen Scheune. Eine der Sängerinnen erleidet kurz vor dem Ende einen kleinen Schwächeanfall. Auch der wird tapfer weg gesungen, Gottlob ist nichts Schlimmeres passiert.
Dann lässt sogar George Gershwin grüssen: "Blanzifer et Helena" lässt erahnen, wie vielseitig Orff als Komponist ist. Und nach einem geflüsterten, stampfenden, zweiten "O Fortuna" entschwindet ein frohes, begänsehautetes Publikum in den lauen Frühlingsabend - nicht, ohne die Künstler zuvor mit stehendem Jubel, Füßetrampeln und Bravorufen versorgt zu haben. Damals, bei den Elenden, war noch Luft nach oben. Heute wird sie knapp.
Am 2. September gibt es ein "Best of Les Misérables" im Kulturzelt der Region Hannover, das diesmal in Isernhagen am Seehaus, Landwehrdamm, aufgebaut wird. Am 4. September findet am gleichen Ort ein Familientag unter Beteiligung der Spatzen, der Young Vocals und der Femmes Vocales statt.