Crowd Funding nennt sich das System, mit dem Künstler versuchen, ihre Produkte oder Ideen zu finanzieren. Im Klartext: Sie sammeln Spenden. Die unterschiedlichsten Projekte sind so entstanden; jetzt findet ein weiteres den Weg in die CD-Schächte der geneigten Zuhörer. Ruby, die Großmutter von Multitalent Astrid North, war wunderschön, erklärt die Künstlerin, und sie habe sie sehr geliebt. Ein Album oder zumindest dessen Titel als Hommage an eine geliebte Person - die Idee ist längst nicht so neu wie die, das Ganze per Schwarmfinanzierung auf den Markt zu bringen.
Der Sprung ins Spannende, Ungewisse, so nennt Astrid North die Erfahrung mit ihrem neuen Album - vorfinanziert von Freunden und Fans. Eine erste Stunde mit "Precious Ruby".
Zehn Songs sind auf "Precious Ruby" (Label: Believe Germany (Soulfood), ASIN: B01KYN7LXQ) zu hören, ein umfangreiches Booklet mit Texten und Credits ist beigelegt. Interessant und etwas nervig: Viele der Namen, die North in diesem Faltblatt erwähnt, sind nicht, wie früher, die der Musiker oder die der Produzenten oder die der Eltern des Künstlers. Und doch haben diese Namen elementar mit der Entstehung und mit der Veröffentlichung des Tonträgers zu tun. Man konnte auf der Seite http://www.pledgemusic.com/projects/preciousruby Geld bezahlen, um die Produktion des Tonträgers in Gang zu bringen. Und um dafür in den Genuss verschiedener Dinge zu kommen. Dazu gehört die Nennung im Booklet - für 35 Euro steht man drin. Und bekommt auf Wunsch eine signierte CD. Schnäppchen.
So weit, so gut. Hat offenbar funktioniert. Dass sich das Musikbusiness massiv verändert hat, weiß man nicht erst, seit vor einem Song der entsprechende Klingelton produziert wurde, um den möglichen kommerziellen Erfolg auszuloten. Oder seit ein Schlagerfuzzi wie Andreas Gabalier ein MTV-Unplugged-Konzert spielen darf - und wahrscheinlich mehr CDs davon verkauft als Bono.
Seit Ende September ist also das zweite Album von Astrid North, der Sängerin mit dem samtigen Timbre, fertig, und wir vergessen mal die Geschichte um die fast schon legendäre Künstlerin mit dem Identifikationsproblem, wir vergessen die etwas skurrilen Angebote auf der oben genannten Seite, damit die Platte entstehen konnte. Ebenfalls vergessen werden sollen Songs wie "Tic Toc", "Kissing The Sheets" oder "Space Age Honeymoon", die die damalige Sängerin der Band "Cultured Pearls" katapultartig in die hysterischen Höhen des Pop-Himmels über Deutschland geschossen haben. Vergessen seid auch ihr, ihr Fans der ersten Stunde, die ihr bei jedem Konzert nach "Sugar Sugar Honey" lechzt. CD rein, möglichst in einen Player mit guten Boxen - der Sound von Astrid Norths Stimme verdient immer noch mindestens Bose - Volume rauf, zuhören. Zuhören. Zuhören.
Rolling man: Fängt gut an, Cello, treibende Drums, Astrid erzählt die Geschichte eines alten Freundes. Jetzt ist sie bereit für den Ruhelosen. Schöne Pausen, glasklare Stimme, macht Lust auf Weiterhören. Teewasser kocht.
The things you did: Kalter Winter, draußen und in meinem Herzen, ich habe viel über die Vergangenheit nachgedacht, sagt Astrid North. Ihr alter Weggefährte Jens Krause produziert traurige Klänge dazu. Tee schmeckt nach nix.
Since: Schöner balladiger Anfang, aber die Stimme leiert, nach zwanzig Sekunden klingt es so, als springe der CD-Player immer wieder zurück an den Anfang. "Weil ich dich seitdem liebe" - ja, haben wir verstanden. Wie eine Dampfwalze überrollt die Melodie alles, was ihr im Weg ist. Der Gedanke an Mantrasingen klopft vorsichtig an die Tür.
Coins: Erster Höhepunkt. Direkter Aufstieg von der musikalischen Bezirksklasse in die zweite Bundesliga. Sparsam instrumentiert. Schön.
For a minute or so: Willkommen im Mäandertal der Balladen. Lange Pause. Hängt der CD-Player schon wieder? Ein ums andere Mal beschwert sich Astrid, dass "er" nicht zurück gekommen ist, nicht mal für einen Moment. "Er" hat andauernd seine Versprechen gebrochen. "Er" muss ein ziemliches Arschloch sein. Allerdings: In diesem Song funktionieren die Wiederholungen, ihre Stimme bekommt diesen hypnotischen, eindringlichen Charakter, den sie früher so oft hatte. Der Rimshot klingt, wie er sollte.
Delilah: Illay Chester sorgt für den Cello-Teppich. Ballade alter Schule. Delilah, bring mich nach Hause. Damit ich mir endlich das Handtuch vom Gesicht nehmen kann. Die Stimme ist Soul pur. Mal sehen, ob Rum im Tee hilft. Viel Rum.
Miss Lucy: Schöner wabernder Anfang, treibende Trommeln von Jarita Freydank lenken vom Text über eine alleinerziehende Mutter ab. Lucy tut das alles schließlich nur für ihren kleinen Timmy. Besser, man kann kein Englisch, dann ist das Lied - oho - sogar tanzbar. Das Trommeln an der Tür wird lauter. Die Mantren begehren Einlass.
Silence: Anfänge kann sie. Ein Vögelchen frisst beim Zwitschern. Und Astrid weint beim Singen. Wo ist "Sugar Sugar Honey", wenn man es braucht? Und vor allem, wo ist die schöne Ruby? Die Sargträger schreiten langsam auf dich zu. Noch 'n Tee? Nee.
I feel: Eine Komposition im Dreivierteltakt und in D-Dur. DUR! Auch der Pianist hat beim Mantrasingen gut zugehört. Hilft allerdings Astrid nix, die sich beklagt, dass irgendetwas nach ihr greift. Der Tee ist inzwischen kalt.
River Sparks: So. Da isses. Das beste Lied auf der CD. Warum erst jetzt, verdammt? Schlauer, fast sinnlicher Text. Die selben Instrumente, die eben noch zu sagen schienen: "Los, spring, spring endlich, du Feigling", ergänzen jetzt brillant das, was Astrid zu singen hat, während sie übers Meer fliegt. Die Mantren halten eine Versammlung ab und stellen fest, dass sie einen neuen Anführer brauchen.
Die CD wirkt zwiespältig, eigenartig, inhomogen. Vieles erschließt sich erst beim mehrfachen Hören, manches wird besser, manches nicht. Erlaubt sei die Frage nach der Zielgruppe: Die Fans von früher werden sich nicht wiederfinden in den getragenen Songs, in der melancholischen, düsteren Lyrik. Die Fans der Stimme von Astrid North kommen - wie immer - voll auf ihre Kosten. Eine solche Stimme beherrscht eben auch das Instrumentarium des Lebens, sei es auch noch so moll-lastig. Und schließlich diejenigen, die Muskelentspannung nach Jacobsen für eine geeignete Methode halten, den Widrigkeiten der Welt entgegenzutreten: Sie erhalten hier akustische Unterstützung.
Die Rückseite des Booklets ist ein Poster. Darauf Astrid North. Macht sich gut auf einer schwarzen Wand.
So weit, so gut. Hat offenbar funktioniert. Dass sich das Musikbusiness massiv verändert hat, weiß man nicht erst, seit vor einem Song der entsprechende Klingelton produziert wurde, um den möglichen kommerziellen Erfolg auszuloten. Oder seit ein Schlagerfuzzi wie Andreas Gabalier ein MTV-Unplugged-Konzert spielen darf - und wahrscheinlich mehr CDs davon verkauft als Bono.
Seit Ende September ist also das zweite Album von Astrid North, der Sängerin mit dem samtigen Timbre, fertig, und wir vergessen mal die Geschichte um die fast schon legendäre Künstlerin mit dem Identifikationsproblem, wir vergessen die etwas skurrilen Angebote auf der oben genannten Seite, damit die Platte entstehen konnte. Ebenfalls vergessen werden sollen Songs wie "Tic Toc", "Kissing The Sheets" oder "Space Age Honeymoon", die die damalige Sängerin der Band "Cultured Pearls" katapultartig in die hysterischen Höhen des Pop-Himmels über Deutschland geschossen haben. Vergessen seid auch ihr, ihr Fans der ersten Stunde, die ihr bei jedem Konzert nach "Sugar Sugar Honey" lechzt. CD rein, möglichst in einen Player mit guten Boxen - der Sound von Astrid Norths Stimme verdient immer noch mindestens Bose - Volume rauf, zuhören. Zuhören. Zuhören.
Rolling man: Fängt gut an, Cello, treibende Drums, Astrid erzählt die Geschichte eines alten Freundes. Jetzt ist sie bereit für den Ruhelosen. Schöne Pausen, glasklare Stimme, macht Lust auf Weiterhören. Teewasser kocht.
The things you did: Kalter Winter, draußen und in meinem Herzen, ich habe viel über die Vergangenheit nachgedacht, sagt Astrid North. Ihr alter Weggefährte Jens Krause produziert traurige Klänge dazu. Tee schmeckt nach nix.
Since: Schöner balladiger Anfang, aber die Stimme leiert, nach zwanzig Sekunden klingt es so, als springe der CD-Player immer wieder zurück an den Anfang. "Weil ich dich seitdem liebe" - ja, haben wir verstanden. Wie eine Dampfwalze überrollt die Melodie alles, was ihr im Weg ist. Der Gedanke an Mantrasingen klopft vorsichtig an die Tür.
Coins: Erster Höhepunkt. Direkter Aufstieg von der musikalischen Bezirksklasse in die zweite Bundesliga. Sparsam instrumentiert. Schön.
For a minute or so: Willkommen im Mäandertal der Balladen. Lange Pause. Hängt der CD-Player schon wieder? Ein ums andere Mal beschwert sich Astrid, dass "er" nicht zurück gekommen ist, nicht mal für einen Moment. "Er" hat andauernd seine Versprechen gebrochen. "Er" muss ein ziemliches Arschloch sein. Allerdings: In diesem Song funktionieren die Wiederholungen, ihre Stimme bekommt diesen hypnotischen, eindringlichen Charakter, den sie früher so oft hatte. Der Rimshot klingt, wie er sollte.
Delilah: Illay Chester sorgt für den Cello-Teppich. Ballade alter Schule. Delilah, bring mich nach Hause. Damit ich mir endlich das Handtuch vom Gesicht nehmen kann. Die Stimme ist Soul pur. Mal sehen, ob Rum im Tee hilft. Viel Rum.
Miss Lucy: Schöner wabernder Anfang, treibende Trommeln von Jarita Freydank lenken vom Text über eine alleinerziehende Mutter ab. Lucy tut das alles schließlich nur für ihren kleinen Timmy. Besser, man kann kein Englisch, dann ist das Lied - oho - sogar tanzbar. Das Trommeln an der Tür wird lauter. Die Mantren begehren Einlass.
Silence: Anfänge kann sie. Ein Vögelchen frisst beim Zwitschern. Und Astrid weint beim Singen. Wo ist "Sugar Sugar Honey", wenn man es braucht? Und vor allem, wo ist die schöne Ruby? Die Sargträger schreiten langsam auf dich zu. Noch 'n Tee? Nee.
I feel: Eine Komposition im Dreivierteltakt und in D-Dur. DUR! Auch der Pianist hat beim Mantrasingen gut zugehört. Hilft allerdings Astrid nix, die sich beklagt, dass irgendetwas nach ihr greift. Der Tee ist inzwischen kalt.
River Sparks: So. Da isses. Das beste Lied auf der CD. Warum erst jetzt, verdammt? Schlauer, fast sinnlicher Text. Die selben Instrumente, die eben noch zu sagen schienen: "Los, spring, spring endlich, du Feigling", ergänzen jetzt brillant das, was Astrid zu singen hat, während sie übers Meer fliegt. Die Mantren halten eine Versammlung ab und stellen fest, dass sie einen neuen Anführer brauchen.
Die CD wirkt zwiespältig, eigenartig, inhomogen. Vieles erschließt sich erst beim mehrfachen Hören, manches wird besser, manches nicht. Erlaubt sei die Frage nach der Zielgruppe: Die Fans von früher werden sich nicht wiederfinden in den getragenen Songs, in der melancholischen, düsteren Lyrik. Die Fans der Stimme von Astrid North kommen - wie immer - voll auf ihre Kosten. Eine solche Stimme beherrscht eben auch das Instrumentarium des Lebens, sei es auch noch so moll-lastig. Und schließlich diejenigen, die Muskelentspannung nach Jacobsen für eine geeignete Methode halten, den Widrigkeiten der Welt entgegenzutreten: Sie erhalten hier akustische Unterstützung.
Die Rückseite des Booklets ist ein Poster. Darauf Astrid North. Macht sich gut auf einer schwarzen Wand.