Shakespeare goes Stadl: Premiere von "Wie es euch gefällt" im Theater am Aegi
Oh, William Shakespeare. Oh oh, schwere Kost. Für Schlaubatze und Intellektuelle. Oh oh oh. Dass das nicht immer anstrengend sein muss, beweisen Autor Heinz-Rudolf Kunze und Komponist Heiner Lürig zum inzwischen vierten Mal. Knapp 1000 Musical-, Aegi- und Shakespearefreunde bejubeln am Donnerstag bei schweißtreibenden Temperaturen die unterhaltsame Adaption von "Wie Es Euch Gefällt".
"Shakespeare ist eigentlich Kasperletheater für Erwachsene" sagt Heinz-Rudolf Kunze am Ende, nachdem sich Ensemble und Mitarbeiter im Kollektiv den Jubel der begeisterten Premierengäste abgeholt haben. Kunze ist nicht der Einzige, der erschöpft ist nach fast zweieinhalb Stunden Jamben, Trochäen und Shakespeareschem Verwirrspiel. Er steht, im Gegensatz zu seinem Brother-in-mind Lürig, nicht selbst auf der Bühne, aber er ist rundum zufrieden mit der Premiere. "Zwei, drei Kleinigkeiten noch, dann haben wir's" gibt er zu Protokoll.
Das erste Stück würde sich gut auf einem Kinderliedalbum von Volker Rosin machen. Drei Akkorde in Dur, belangloser Text - da haben Kunze und Lürig schon weitaus besser abgeliefert. Als musikalisches Team können die beiden seit Jahren überzeugen. Sie haben sich nun mal Sir William auf die Fahne geschrieben - und müssen sich wohl ewig an dem gewaltigen Publikumserfolg von "Ein Sommernachtstraum" messen lassen. Kunzes Texte reimen sich verlässlich - er war ja mal Deutschlehrer, und gelernt ist gelernt. Einmal reimt er zwar "Kröten" auf "Beten", aber das warme Mäntelchen des Wohlwollens schmiegt sich auch heute Abend über so manche Unzulänglichkeit.
Heiner Lürigs Musik birgt keine Überraschungen - ein Musical ist ein Musical ist ein Musical. Wer heute hier ist, erwartet keine musikalische Weiterentwicklung des Rades. Man flennt gerne mal bei Lloyd/Webbers "Evita", man klopft sich bei "Starlight Express" rhythmisch im Takt von Rusty auf die Schenkel, man singt bei "Mamma Mia" hingerissen bei "Dancing Queen" mit, und heute kichert man über Shakespeares Obszönitäten unter der Regie von Renate Rochell.
Heiner Lürigs Musik birgt keine Überraschungen - ein Musical ist ein Musical ist ein Musical. Wer heute hier ist, erwartet keine musikalische Weiterentwicklung des Rades. Man flennt gerne mal bei Lloyd/Webbers "Evita", man klopft sich bei "Starlight Express" rhythmisch im Takt von Rusty auf die Schenkel, man singt bei "Mamma Mia" hingerissen bei "Dancing Queen" mit, und heute kichert man über Shakespeares Obszönitäten unter der Regie von Renate Rochell.
Die Handlung ist, wie so oft bei Sir William, nicht so einfach erklärt. Herzog Frederick (Christian Venske/Dieter Wahlbuhl) hat einen Sohn, Orlando (Oliver Morschel). Der verliebt sich in Rosalinde (Merle Hoch). Die hat eine Cousine, Celia (Julia Steingaß), zu der sie etwas mehr als nur familiäre Zuneigung hegt. Während Orlando mit den zärtlichen Cousinen fröhlich duettiert und zur Unzucht aufruft, werden rote Herzen auf die große Leinwand hinten projiziert (Bühnenbild: Manfred Kaderk) Oft gesehen, nicht nur im Aegi: Die ebenfalls projizierten Kronleuchter. Sehr gelungen: Die bunten Bäume im Wald, in den sich Rosalinde flüchtet, als sie nicht mehr Rosalinde heißt, sondern Ganymed. Klar soweit?
"Geh mir aus den Augen, Rosalinde" könnte auch die Singleauskopplung auf dem nächsten Kunze-Album sein. Tolle, stampfende Rhythmik, Chöre zum Niederknien, hervorragend gesungen und souverän musiziert von Andreas Unsicker, Marius Lürig und Papa Heiner, Peter Pichl, Ralph König und Konrad Haas - die hannoverschen Rockgrößen schlagen sich hervorragend auf teilweise fremdem Terrain.
"Geh mir aus den Augen, Rosalinde" könnte auch die Singleauskopplung auf dem nächsten Kunze-Album sein. Tolle, stampfende Rhythmik, Chöre zum Niederknien, hervorragend gesungen und souverän musiziert von Andreas Unsicker, Marius Lürig und Papa Heiner, Peter Pichl, Ralph König und Konrad Haas - die hannoverschen Rockgrößen schlagen sich hervorragend auf teilweise fremdem Terrain.
Die Assoziationen reichen von Conchita Wurst (Kostüme: Meike Ragnitz und Sabine Mech) über die Sesamstraße bis hin zu Dschingis Khan mit "Moskau": Es ist alles sehr bunt und großenteils zauberhaft. Charmant: Shakespeare selbst (Michael Westphal) fungiert als so eine Art Deus ex machina - allerdings ohne Funktion. Er zieht vom Rand der Bühne aus seine Fäden - und womöglich kann der ewige Rühmann-Darsteller Westphal in diesem Leben sowieso keine Bühne mehr betreten, ohne ein, zwei Sätze der näselnden Schauspiellegende abzuliefern. Überflüssig, aber nett.
Zwischendurch immer wieder kleine, feine, manchmal abstruse Blitze der Erkenntnis. Er habe "Bleigewichte an der Zunge", sagt Orlando. Großartige Textstellen wie diese muss man sich erst mal auf selbiger zergehen lassen. Und Orlando, müde vom Suchen nach und Werben um seine Braut, schläft ermattet auf dem Waldboden ein, während Rosalinde und Celia direkt vor ihrem Objekt der Begierde stehen und nach ihm suchen. "Da liegt er doch" möchte man ihnen zurufen, oder "Vorsicht, da hinten kommt das Krokodil" - irgendwas, damit sie sich nicht so deprimierend dämlich verhalten. Vorne auf der Bühne werden Reime geschüttelt, dass es ein Graus ist. Aber: Es funktioniert. Der anfangs noch höfliche Applaus wird stärker, das Publikum lässt sich ein auf Verwirrspiel und Intrige, hat Spaß.
Zwischendurch immer wieder kleine, feine, manchmal abstruse Blitze der Erkenntnis. Er habe "Bleigewichte an der Zunge", sagt Orlando. Großartige Textstellen wie diese muss man sich erst mal auf selbiger zergehen lassen. Und Orlando, müde vom Suchen nach und Werben um seine Braut, schläft ermattet auf dem Waldboden ein, während Rosalinde und Celia direkt vor ihrem Objekt der Begierde stehen und nach ihm suchen. "Da liegt er doch" möchte man ihnen zurufen, oder "Vorsicht, da hinten kommt das Krokodil" - irgendwas, damit sie sich nicht so deprimierend dämlich verhalten. Vorne auf der Bühne werden Reime geschüttelt, dass es ein Graus ist. Aber: Es funktioniert. Der anfangs noch höfliche Applaus wird stärker, das Publikum lässt sich ein auf Verwirrspiel und Intrige, hat Spaß.
Nach der Pause nimmt das Stück deutlich an Fahrt auf. Orlando macht Rosalinde irgendwie so eine Art Antrag, sie will ihn aber nicht, und er memmt rum. "Ich sterbe" nölt er im Wald, und Rosalinde stimmt unter Flötengeheul (Klasse wie immer: Konrad Haas) ein Liedlein an, das auch auf ein Album von Schlagerärgernis Michelle passen würde. "Nein, an Liebe stirbt man nicht" - muss es nicht "Aus Liebe" heißen? Fragen über Fragen.
Dann wird Orlando fast noch von einem Löwen dahin gerafft - wer kennt sie nicht, die berühmten Löwen in den englischen Wäldern des Mittelalters - und zum Schluss kriegen sie sich alle, der Orlando seine Rosalinde, die Celia ihren Oliver, und der Schäfer kriegt die Mechthild. Die Musiker haben durch die Bank überzeugt, die Hauptprotagonisten haben fehlerfrei (also wirklich fehlerfrei!) und wunderbar gesungen, und man weiß jetzt, warum Merle Hoch so viele Vorschusslorbeeren bekam: Weil. Sie. Sie. Verdient.
Jubel, Toben, Aufstehen zum Schluss, und doch stellt sich bei dem ein oder anderen eine gewisse Wehmut wegen vergangener Sommernachtsträume ein.
Fazit: Gelungene Sommerpremiere im Aegi, auch für Michael Lohmann, den Veranstalter. Es ist ein Versuch im eigenen Haus: "Wir finden alle, es hat funktioniert", sagt der Chef von Hannover Concerts. Das findet das Publikum auch. Es hat offenbar, und man entschuldige die flache Formulierung, allen gefallen. Und das ist schließlich die Hauptsache.
Dann wird Orlando fast noch von einem Löwen dahin gerafft - wer kennt sie nicht, die berühmten Löwen in den englischen Wäldern des Mittelalters - und zum Schluss kriegen sie sich alle, der Orlando seine Rosalinde, die Celia ihren Oliver, und der Schäfer kriegt die Mechthild. Die Musiker haben durch die Bank überzeugt, die Hauptprotagonisten haben fehlerfrei (also wirklich fehlerfrei!) und wunderbar gesungen, und man weiß jetzt, warum Merle Hoch so viele Vorschusslorbeeren bekam: Weil. Sie. Sie. Verdient.
Jubel, Toben, Aufstehen zum Schluss, und doch stellt sich bei dem ein oder anderen eine gewisse Wehmut wegen vergangener Sommernachtsträume ein.
Fazit: Gelungene Sommerpremiere im Aegi, auch für Michael Lohmann, den Veranstalter. Es ist ein Versuch im eigenen Haus: "Wir finden alle, es hat funktioniert", sagt der Chef von Hannover Concerts. Das findet das Publikum auch. Es hat offenbar, und man entschuldige die flache Formulierung, allen gefallen. Und das ist schließlich die Hauptsache.
"Wie es euch gefällt" läuft noch bis zum 25. August im Theater am Aegi. Karten gibt es ab 47,95 Euro an der Abendkasse oder unter www.hannover-concerts.de