Max Mutzke im Großen Sendesaal des NDR in Hannover
Was ich schon immer wissen wollte, hat mir Max nach dem Konzert verraten: Sein Mini-Statement zu dem Lied, das ihm vor 14 Jahren die Berufswahl wesentlich erleichtert hat. Und er hat den gestrigen Eurovision Song Contest geschwänzt. |
Natürlich spielt er es, ganz am Ende. Seine Tatort-Melodie, sein Yesterday, sein Blowing In The Wind: "Can't Wait Until Tonight" hat Max Mutzke vor 14 Jahren in den europäischen Pop-Himmel katapultiert. Er war am Sonntag mit "MIKIs Takeover" wieder einmal zu Gast in Hannover. Und gemeinsam haben sie im gut gefüllten Sendesaal ein Konzert der besonderen Art abgeliefert.
Zwei Geigen, eine Viola, ein Kontrabass und ein Cello: Von links nach rechts sitzen da: Miki Kekenj, Shinkyung Kim, Erin Curvy, Max Dommers und Matthias Wehmann. Sie sind ein klassisches Streichquintett und verlassen ihr Genre gerne und häufig, um mit so unterschiedlichen Künstlern wie Joy Denalane, Maxim, Frida Gold, Cassandra Steen oder eben Mutzke zu spielen.
Instrumente stimmen, kurzes Räuspern und dann legen sie los, ganz traditionell, mit Astor Piazzollas "Adios Nonino" - der argentinische Tango wird lautstark beklatscht. Doch dann kommt ein Störfaktor. Ein berühmter Pop- und Soulsänger, von dem man zwar weiß, dass er eine ungeheure Bandbreite besitzt, und dass er mit den verschiedensten Musikstilen herumexperimentiert, soll nur mit den fünf Streichern einen Abend bestreiten? Er bestreitet nicht nur, es wird ein triumphaler Erfolg. Obwohl Kekenj zu Anfang selbstbewusst verkündet, er stamme aus Braunschweig. Nun, Miki, wir haben hier nichts gegen die Löwen - solange sie nicht Fußball spielen.
Instrumente stimmen, kurzes Räuspern und dann legen sie los, ganz traditionell, mit Astor Piazzollas "Adios Nonino" - der argentinische Tango wird lautstark beklatscht. Doch dann kommt ein Störfaktor. Ein berühmter Pop- und Soulsänger, von dem man zwar weiß, dass er eine ungeheure Bandbreite besitzt, und dass er mit den verschiedensten Musikstilen herumexperimentiert, soll nur mit den fünf Streichern einen Abend bestreiten? Er bestreitet nicht nur, es wird ein triumphaler Erfolg. Obwohl Kekenj zu Anfang selbstbewusst verkündet, er stamme aus Braunschweig. Nun, Miki, wir haben hier nichts gegen die Löwen - solange sie nicht Fußball spielen.
Mutzke singt "I Own You" mit der souligsten Stimme nördlich des Mississippi, während sich die fünf Streicher in die Ohren brennen. Tosender Applaus - damit hat hier wirklich niemand gerechnet. Mutzke und die Takeover-Herren und -Damen haben zwar schon des Öfteren gemeinsame Sache gemacht, aber man kennt ihn eben doch meist als charismatischen Crooner, mal als entspannten Jazzer, mal mit dem NDR-Radioorchester, mal mit seiner Band Monopunk. Das Konzert wird zu einer mitreißenden Wanderung zwischen den Genres - auch die nächste Nummer, "Telefon" von Ideal, wird zu einem Erlebnis. Nach einem Wiener-Walzer-Intermezzo zerschneiden drohende Geigenpizzicati den Text von Annette Humpe, Mutzke gibt dem überwältigenden Arrangement von Kekenj durch seine Ad-Libs einen geradezu schmutzigen Charakter. Das Hörerlebnis ist neu, wirklich beeindruckend in einer Zeit, in der nahezu jede Genregrenze verschwimmt. Nur ein Lied später, bei "Praise The Day", klingen die gezupften Geigentöne gar nicht mehr bedrohlich, sondern sanft, fast versöhnlich. Danach erzählt Mutzke lang und breit die Geschichte vom Steinbruch im Schwarzwald, in dem er als Teenager gearbeitet habe, "da durfte man als Kind Laster fahren. Wir haben da unsere eigenen Gesetze."
Zu der Zeit entstand "Schwarz Auf Weiß", einer seiner bekannten Songs. Auch der wird zu einem experimentalen Erlebnis - so umgesetzt wirkt er ungemein frisch und interessant.
Zu der Zeit entstand "Schwarz Auf Weiß", einer seiner bekannten Songs. Auch der wird zu einem experimentalen Erlebnis - so umgesetzt wirkt er ungemein frisch und interessant.
Dann kündigt er "Durch einander" an, ein Lied über Depressionen. Er singt es sehr persönlich, kreischt, flüstert, mit viel Kopfstimme und vielen Pausen. Leider schießt er damit über das Ziel hinaus: Nahezu alle Klischees in nur einem Song, das ist einfach zuviel. Basslinien in Moll, Reqiuemartige Geigen, Halbsätze mit traurigen Botschaften, Ritardandi - er verstört. Das behutsame Arrangement ist toll, er zeigt, dass er nicht nur der Soul-Sunny-Boy ist, und trotzdem: Weniger ist, mit Verlaub, manchmal mehr.
Manchmal verschmelzen Sänger und Ensemble symbiotisch, und manchmal kann sich der Zuhörer die Perspektive aussuchen, umblenden sozusagen, sich auf die Stimme oder die Streichermelodien fokussieren.
"Charlotte" gelingt ihnen ebenso wie "Unsere Nacht", wo er deutlich macht, wie sehr er Fremdenfeindlichkeit verabscheut. Zwischenruf einer Zuhörerin: "Voll funky, das war ein Superbass". Max antwortet ihr grinsend, er habe verstanden, 'ich hab' den Zug verpasst'. Lustig kann er auch.
Er singt "You're fucking special" und erntet verschämte Kicherer - Blasphemie! Im Großen Sendesaal gibt es scheinbar noch jede Menge Leute, die meinen, wenn ihre Kinder 'Scheiße' sagen, müsste man ihnen den Mund mit Seife auswaschen. Soviel zum Jahr 2018.
Und dann, nach James Browns "It's A Mans World", singt er davon, dass er es nicht mehr erwarten kann bis heute Nacht. Das restlos begeisterte Publikum singt im Stehen mit, und danach geht man geordnet - wie immer unter den strengen Blicken des Ordnungsdienstes - hinaus an den See. Die Sterne blinken, die Unwetterwarnungen für heute Nacht waren Bullshit. Heute Nacht gab es statt Gewitter ein Feuerwerk, und dieses akustische Inferno haben Max Mutzke und fünf brillante klassische Musiker innerhalb des Sendesaals gezündet. Am Maschsee können sich also nicht einmal die Anlieger beschweren.
Manchmal verschmelzen Sänger und Ensemble symbiotisch, und manchmal kann sich der Zuhörer die Perspektive aussuchen, umblenden sozusagen, sich auf die Stimme oder die Streichermelodien fokussieren.
"Charlotte" gelingt ihnen ebenso wie "Unsere Nacht", wo er deutlich macht, wie sehr er Fremdenfeindlichkeit verabscheut. Zwischenruf einer Zuhörerin: "Voll funky, das war ein Superbass". Max antwortet ihr grinsend, er habe verstanden, 'ich hab' den Zug verpasst'. Lustig kann er auch.
Er singt "You're fucking special" und erntet verschämte Kicherer - Blasphemie! Im Großen Sendesaal gibt es scheinbar noch jede Menge Leute, die meinen, wenn ihre Kinder 'Scheiße' sagen, müsste man ihnen den Mund mit Seife auswaschen. Soviel zum Jahr 2018.
Und dann, nach James Browns "It's A Mans World", singt er davon, dass er es nicht mehr erwarten kann bis heute Nacht. Das restlos begeisterte Publikum singt im Stehen mit, und danach geht man geordnet - wie immer unter den strengen Blicken des Ordnungsdienstes - hinaus an den See. Die Sterne blinken, die Unwetterwarnungen für heute Nacht waren Bullshit. Heute Nacht gab es statt Gewitter ein Feuerwerk, und dieses akustische Inferno haben Max Mutzke und fünf brillante klassische Musiker innerhalb des Sendesaals gezündet. Am Maschsee können sich also nicht einmal die Anlieger beschweren.
Max Mutzke. Ein Porträt |
Mutzke und Doldinger. Schöne Symbiose |