(mik) Gestern, in meinem Lieblingsbuchladen, stöberte ich mich gerade durch die Neuerscheinungen und genoss den Geruch von bedrucktem Papier, die Stille und diese ganz besondere Luft, die irgendwie dicker als draußen ist. Während ich, ritualisiert wie immer, nach neuen Büchern längst vergessener Autoren suchte – Peter O'Donnell, Andrew Vachss, David M. Pierce beispielsweise, für die Leser unter meinen Lesern – drangen Wortfetzen zu mir durch. In der Nachbarabteilung unterhielten sich zwei Frauen – sie taten das immerhin leise in meiner Oase der Ruhe, aber sie taten es. Ich hörte einzelne Wörter, „ ... glückliche Kinder, Elterncoaching, Ausrasten …“
Eine offenbar frischgebackene Mutter war vertieft in eine Diskussion über Sinn und Unsinn von Erziehungsvorschlägen in Papierform – oder, wahlweise, digital. Ihre Gesprächspartnerin war wohl ihre Mutter, die frisch gebackene Oma, zumindest sagte sie andauernd „Kind, hör doch mal“ zu ihrer ganz und gar nicht kindlich wirkenden Tochter. Deren Gesichtsausdruck war ein wenig angestrengt, wie ich meine, gesehen zu haben – ich fragte mich, wie angestrengt sie wohl geblickt hätte, wenn das Kind dabei gewesen wäre. Wo war das eigentlich, das Kind, fragte ich mich weiter, wenn Mama und Oma gemeinsam unterwegs waren. Nicht meine Baustelle, nicht mein Bier, sagte ich mir und blätterte halbherzig weiter in dem Krimi herum, den ich gerade in der Hand hielt. „Kind, hör doch mal“, sagte die Mutter. Töchterchen sagte „Ach, Mama“ und wühlte lustlos auf einem liebevoll in rosa und blau dekorierten Tisch mit Ratgebern zum Thema Kindererziehung herum.
Eine Verkäuferin witterte ihre Chance und pries einen „Verkaufsschlager“ an. „Da steht alles drin, was moderne Großstadteltern wissen müssen“, meinte sie. Nun ja. Schwierig. Stand da auch was über Babys, die in der Lage sind, 24 Stunden am Tag zu brüllen? Oder die es schaffen, ihren Strampler nicht nur hinten, sondern auch vorn und an den Seiten voll zu kacken? Stand da was über allein erziehende Mütter, die acht Stunden Schlaf bekommen – in zwei Wochen? Jedenfalls versuchte die Buchhändlerin, den Ratgeber, der ja – oho – auch von der Zeitschrift „Eltern“ empfohlen wurde, an die Frau zu bringen. Der Appell der Großmutter, Kindererziehung könne kein Buch der Welt lehren, das sei eine Frage des individuellen Bauchgefühls, verhallte ungehört.
Die Tochter erwarb den Verkaufsschlager; „Kind, hör doch mal“, sagte die Mutter, als sie das Geschäft verließen. Ich schlich mich in die Elternabteilung. Dort wirke ich ähnlich deplatziert wie in der Abteilung für Damenhygiene oder für Haarpflegeartikel, aber ich fand das besagte Buch und blätterte mich durch das angebliche Objekt der Begierde moderner Großstadteltern. Der Helfer in Papier erinnerte mich an eine Bedienungsanleitung. „Drücken Sie Knopf A und legen Sie Schalter B um, damit folgendes passiert.“
Ich persönlich gebe der Großmutter Recht. Wo ist das gute alte Bauchgefühl geblieben? Die Erkenntnis, dass ein Grashalm nicht schneller wächst, wenn man daran zieht? Die Gewissheit, dass sich das alles schon irgendwie von alleine regelt? Als ich klein war, habe ich ein Eis, das mir auf den Boden fiel, einfach aufgehoben und weitergeleckt. Ich habe derartig viele lächerliche filmreife Unfälle mit dem Fahrrad gehabt, dass ich mich heute noch wundere, dass ich nicht schlimm verstümmelt bin. Ich ging zu Fuß in meine Grundschule und habe auch die Hauptverkehrsstraße, die ich auf dem Weg ohne Ampel überqueren musste, überlebt. Vielleicht sollte jemand dieser jungen Mutter einfach Zuversicht geben. Denn Ratschläge sind ja bekanntlich auch Schläge. Ich glaube, ich schreibe mal wieder ein Buch – wahlweise über Kindererziehung. Und wahlweise digital.
Eine offenbar frischgebackene Mutter war vertieft in eine Diskussion über Sinn und Unsinn von Erziehungsvorschlägen in Papierform – oder, wahlweise, digital. Ihre Gesprächspartnerin war wohl ihre Mutter, die frisch gebackene Oma, zumindest sagte sie andauernd „Kind, hör doch mal“ zu ihrer ganz und gar nicht kindlich wirkenden Tochter. Deren Gesichtsausdruck war ein wenig angestrengt, wie ich meine, gesehen zu haben – ich fragte mich, wie angestrengt sie wohl geblickt hätte, wenn das Kind dabei gewesen wäre. Wo war das eigentlich, das Kind, fragte ich mich weiter, wenn Mama und Oma gemeinsam unterwegs waren. Nicht meine Baustelle, nicht mein Bier, sagte ich mir und blätterte halbherzig weiter in dem Krimi herum, den ich gerade in der Hand hielt. „Kind, hör doch mal“, sagte die Mutter. Töchterchen sagte „Ach, Mama“ und wühlte lustlos auf einem liebevoll in rosa und blau dekorierten Tisch mit Ratgebern zum Thema Kindererziehung herum.
Eine Verkäuferin witterte ihre Chance und pries einen „Verkaufsschlager“ an. „Da steht alles drin, was moderne Großstadteltern wissen müssen“, meinte sie. Nun ja. Schwierig. Stand da auch was über Babys, die in der Lage sind, 24 Stunden am Tag zu brüllen? Oder die es schaffen, ihren Strampler nicht nur hinten, sondern auch vorn und an den Seiten voll zu kacken? Stand da was über allein erziehende Mütter, die acht Stunden Schlaf bekommen – in zwei Wochen? Jedenfalls versuchte die Buchhändlerin, den Ratgeber, der ja – oho – auch von der Zeitschrift „Eltern“ empfohlen wurde, an die Frau zu bringen. Der Appell der Großmutter, Kindererziehung könne kein Buch der Welt lehren, das sei eine Frage des individuellen Bauchgefühls, verhallte ungehört.
Die Tochter erwarb den Verkaufsschlager; „Kind, hör doch mal“, sagte die Mutter, als sie das Geschäft verließen. Ich schlich mich in die Elternabteilung. Dort wirke ich ähnlich deplatziert wie in der Abteilung für Damenhygiene oder für Haarpflegeartikel, aber ich fand das besagte Buch und blätterte mich durch das angebliche Objekt der Begierde moderner Großstadteltern. Der Helfer in Papier erinnerte mich an eine Bedienungsanleitung. „Drücken Sie Knopf A und legen Sie Schalter B um, damit folgendes passiert.“
Ich persönlich gebe der Großmutter Recht. Wo ist das gute alte Bauchgefühl geblieben? Die Erkenntnis, dass ein Grashalm nicht schneller wächst, wenn man daran zieht? Die Gewissheit, dass sich das alles schon irgendwie von alleine regelt? Als ich klein war, habe ich ein Eis, das mir auf den Boden fiel, einfach aufgehoben und weitergeleckt. Ich habe derartig viele lächerliche filmreife Unfälle mit dem Fahrrad gehabt, dass ich mich heute noch wundere, dass ich nicht schlimm verstümmelt bin. Ich ging zu Fuß in meine Grundschule und habe auch die Hauptverkehrsstraße, die ich auf dem Weg ohne Ampel überqueren musste, überlebt. Vielleicht sollte jemand dieser jungen Mutter einfach Zuversicht geben. Denn Ratschläge sind ja bekanntlich auch Schläge. Ich glaube, ich schreibe mal wieder ein Buch – wahlweise über Kindererziehung. Und wahlweise digital.