(lil) Als ich neulich fünfzig geworden bin, fing diese neue Ära an. Die Zeit, in der man in Parfümerien an der Kasse ungefragt Cremeproben für die „reife Haut“ in die Tüte gelegt bekommt (wobei man sich viel mehr über das neue aphrodisierende Parfümpröbchen der Firma xy gefreut hätte). Die Zeit, in der sich die Männer der Freundinnen zwischen Harley, Oldtimer, Porsche oder Blondine entscheiden. Die Zeit, in der man feststellt, dass hinter einem eindeutig mehr Jahre liegen als vor einem. In der man sich fragt: Das soll also schon alles gewesen sein? So sehr man den Bauch einzieht und sich in der Muckibude quält: In gewissen Situationen sieht sich das geneigte Gegenüber mit den Niagarafällen konfrontiert. Weil das Bindegewebe irgendwann zum Arschloch mutiert. Da helfen auch die gut gemeinten Cremes der freundlichen Kassiererin nicht.
Seit ungefähr fünf Jahren feiere ich fünfzigste Geburtstage meiner Freundinnen und Freunde. Die männlichen Freunde neigen eher dazu, an diesem Termin zu verreisen (mit ihrer Harley, dem Oldtimer, dem Porsche oder, heimlich, mit der Blondine). Einer meiner besten Freunde hatte seinen 50sten lange geplant und lud dann wieder aus, weil kurz davor die jahrzehntelange Beziehung endete und ihm nicht nach Feiern zumute war. Nicht einer dieser fünfzigsten Geburtstage glich einem anderen. Ich war auf einer rauschenden Party mit 200 Gästen, ich feierte einen fünfzigsten Geburtstag in einem Vereinsheim bei schlimmer OP-Saal-Beleuchtung, an dem die Protagonistin um 21.00 Uhr lallend zu Boden ging – und dort blieb. Das wiederum erleichterte mir das Verdrücken. Bei einem anderen sangen die vier angeheirateten Kinder meiner Freundin ein rührendes Ständchen und ich traf Leute, die ich seit dreißig Jahren nicht mehr gesehen hatte. Einen weiteren feierten wir bei einer englischen Teezeremonie. Und vor gerade mal einer Woche saßen wir im kleinen Kreis in einem Yogazentrum und sangen nach einer wunderbaren Yogastunde und indischem köstlichen Essen beseelt Lieder für das Geburtstagskind. Ich selbst habe mich vor einem Jahr für eine Party entschieden, die ich fast ein Jahr lang geplant hatte. Mit dem Ergebnis, dass ich an meinem Ehrentag todkrank wurde (Freund Murphy muss wohl mit dem Bindegewebe unter einer Decke stecken). Ich habe dennoch tapfer durchgehalten und spät in der Nacht mit dem gewohnten harten Kern die Location abgeschlossen – man wird nur einmal fünfzig.
Fünfzig ist irgendwie komisch. Die „früher“-Geschichten nehmen zu. Gespräche über Hormon-Präparate kommen bei den Weiberabenden auf – nicht etwa über den Faux Pas von letzter Nacht – wie vor nicht allzu langer Zeit. Ein bisschen Wehmut schleicht sich ein. Ich stehe neben meiner Tochter und denke: Ja, daran kann ich mich erinnern. Pfirsichhaut und so. Aber möchte ich wirklich wieder twentysomething sein? Das war eine tolle Zeit, keine Frage. Unsterblich waren wir. Wir brauchten keinen Schlaf – völlig überschätzt. Partys, Kicher- und Knutschgeschichten, irgendwo in der Zukunftsvision der Mann auf dem weißen Gaul, der einem in Zeitlupe am Strand entgegen geritten kommt. Alles garniert mit einer Prise gut gemeinter elterlicher Ratschläge, Selbstzweifel, finanzieller Herausforderungen und den ersten traurigen Erfahrungen an Gräbern von geliebten Menschen, die einem vor Augen führten, dass das Leben sehr wohl endlich ist. Und man irgendwann erwachsen wird, ob man will oder nicht. Abgesehen davon bin ich hochgradig allergisch gegen Pferde. Wenn also der Typ wirklich auf einem Apfelschimmel oder Palomino oder wie sonst die Klepper heißen heran geritten gekommen wäre – ich hätte meinen 50sten garantiert nicht erlebt.
Ob ich mittlerweile erwachsen geworden bin, habe ich noch nicht ergründet. Gewachsen bin ich an allem, das auf meinem Weg lag. Und irgendwie machte bislang alles, genau so, wie es passierte, einen Sinn. Kurz nach meiner Hochzeit vor fast 25 Jahren bin ich verzweifelt mit meinem neuen Ring zum Juwelier gegangen, denn es hatten sich Kratzer und eine kleine Beule auf ihm eingeschlichen. Er würde es nicht weg polieren wollen, sagte mir der Juwelier damals. „Wissen Sie, eine Ehe bekommt in den Jahren auch Kratzer und Beulen, das gehört irgendwie dazu“, sagte er mir. Er hatte Recht. Meine Ehe hat letztendlich den Kratzern und Beulen nicht standgehalten. Einige Jahre später kam eine neue Liebe zu mir. Wir warfen unsere Kratzer und Beulen zusammen. Wir schütten die Rucksäcke unserer gelebten Leben vor unseren Füßen aus und schauen, was und wie wir aus dem Inhalt lernen können. Oder wir lassen ihn friedlich so liegen, wie er ist.
Die junge alte Liebe muss nun mit Niagarafällen Vorlieb nehmen. Und den Falten, dem gelebten Leben. In meinem Fall, weil ich die nett gemeinten Cremeproben zuhause immer nur für meine Hände verwende. Denn jede Falte spiegelt mein Leben wieder. Mein Lachen und mein Weinen. Meine Hoffnung und meine Mutlosigkeit. Meine schlaflosen und meine durchtanzten Nächte. In meinen Niagarafällen hat vor zwanzigirgendetwas mein Kind gewohnt. Es ist alles gut so, wie es ist. Ich finde, die Fünfzig und alles Folgende haben es verdient, gefeiert zu werden. Und ganz genau zu wissen: Es ist noch lange nicht genug.
Seit ungefähr fünf Jahren feiere ich fünfzigste Geburtstage meiner Freundinnen und Freunde. Die männlichen Freunde neigen eher dazu, an diesem Termin zu verreisen (mit ihrer Harley, dem Oldtimer, dem Porsche oder, heimlich, mit der Blondine). Einer meiner besten Freunde hatte seinen 50sten lange geplant und lud dann wieder aus, weil kurz davor die jahrzehntelange Beziehung endete und ihm nicht nach Feiern zumute war. Nicht einer dieser fünfzigsten Geburtstage glich einem anderen. Ich war auf einer rauschenden Party mit 200 Gästen, ich feierte einen fünfzigsten Geburtstag in einem Vereinsheim bei schlimmer OP-Saal-Beleuchtung, an dem die Protagonistin um 21.00 Uhr lallend zu Boden ging – und dort blieb. Das wiederum erleichterte mir das Verdrücken. Bei einem anderen sangen die vier angeheirateten Kinder meiner Freundin ein rührendes Ständchen und ich traf Leute, die ich seit dreißig Jahren nicht mehr gesehen hatte. Einen weiteren feierten wir bei einer englischen Teezeremonie. Und vor gerade mal einer Woche saßen wir im kleinen Kreis in einem Yogazentrum und sangen nach einer wunderbaren Yogastunde und indischem köstlichen Essen beseelt Lieder für das Geburtstagskind. Ich selbst habe mich vor einem Jahr für eine Party entschieden, die ich fast ein Jahr lang geplant hatte. Mit dem Ergebnis, dass ich an meinem Ehrentag todkrank wurde (Freund Murphy muss wohl mit dem Bindegewebe unter einer Decke stecken). Ich habe dennoch tapfer durchgehalten und spät in der Nacht mit dem gewohnten harten Kern die Location abgeschlossen – man wird nur einmal fünfzig.
Fünfzig ist irgendwie komisch. Die „früher“-Geschichten nehmen zu. Gespräche über Hormon-Präparate kommen bei den Weiberabenden auf – nicht etwa über den Faux Pas von letzter Nacht – wie vor nicht allzu langer Zeit. Ein bisschen Wehmut schleicht sich ein. Ich stehe neben meiner Tochter und denke: Ja, daran kann ich mich erinnern. Pfirsichhaut und so. Aber möchte ich wirklich wieder twentysomething sein? Das war eine tolle Zeit, keine Frage. Unsterblich waren wir. Wir brauchten keinen Schlaf – völlig überschätzt. Partys, Kicher- und Knutschgeschichten, irgendwo in der Zukunftsvision der Mann auf dem weißen Gaul, der einem in Zeitlupe am Strand entgegen geritten kommt. Alles garniert mit einer Prise gut gemeinter elterlicher Ratschläge, Selbstzweifel, finanzieller Herausforderungen und den ersten traurigen Erfahrungen an Gräbern von geliebten Menschen, die einem vor Augen führten, dass das Leben sehr wohl endlich ist. Und man irgendwann erwachsen wird, ob man will oder nicht. Abgesehen davon bin ich hochgradig allergisch gegen Pferde. Wenn also der Typ wirklich auf einem Apfelschimmel oder Palomino oder wie sonst die Klepper heißen heran geritten gekommen wäre – ich hätte meinen 50sten garantiert nicht erlebt.
Ob ich mittlerweile erwachsen geworden bin, habe ich noch nicht ergründet. Gewachsen bin ich an allem, das auf meinem Weg lag. Und irgendwie machte bislang alles, genau so, wie es passierte, einen Sinn. Kurz nach meiner Hochzeit vor fast 25 Jahren bin ich verzweifelt mit meinem neuen Ring zum Juwelier gegangen, denn es hatten sich Kratzer und eine kleine Beule auf ihm eingeschlichen. Er würde es nicht weg polieren wollen, sagte mir der Juwelier damals. „Wissen Sie, eine Ehe bekommt in den Jahren auch Kratzer und Beulen, das gehört irgendwie dazu“, sagte er mir. Er hatte Recht. Meine Ehe hat letztendlich den Kratzern und Beulen nicht standgehalten. Einige Jahre später kam eine neue Liebe zu mir. Wir warfen unsere Kratzer und Beulen zusammen. Wir schütten die Rucksäcke unserer gelebten Leben vor unseren Füßen aus und schauen, was und wie wir aus dem Inhalt lernen können. Oder wir lassen ihn friedlich so liegen, wie er ist.
Die junge alte Liebe muss nun mit Niagarafällen Vorlieb nehmen. Und den Falten, dem gelebten Leben. In meinem Fall, weil ich die nett gemeinten Cremeproben zuhause immer nur für meine Hände verwende. Denn jede Falte spiegelt mein Leben wieder. Mein Lachen und mein Weinen. Meine Hoffnung und meine Mutlosigkeit. Meine schlaflosen und meine durchtanzten Nächte. In meinen Niagarafällen hat vor zwanzigirgendetwas mein Kind gewohnt. Es ist alles gut so, wie es ist. Ich finde, die Fünfzig und alles Folgende haben es verdient, gefeiert zu werden. Und ganz genau zu wissen: Es ist noch lange nicht genug.
Immer nur leben, nur leben
Keinen einzigen Tag vergeben
Alles genießen, jeden Atemzug
Und ganz genau zu wissen
es ist noch lange nicht genug